Ist die Work-Life-Balance ein Mythos? Vermutlich ja, wenn man die Ergebnisse der jüngsten BITKOM-Studie näher betrachtet: Heimarbeit und ständige Erreichbarkeit durch Kunden oder Vorgesetzte ist für viele Arbeitnehmer Alltag. Auch wenn die Mehrzahl der von zu Hause aus Tätigen diese Möglichkeit begrüßt, sind in den meisten der Betriebe keine festen Regelungen vorhanden, in welchem Maß Angestellte außerhalb der Dienstzeit erreichbar sein müssen. Wie und ob dies entlohnt wird, bleibt ebenfalls ungeklärt.
Moderne Arbeitsplätze in Autos, Cafés oder der Bahn
Bürojobs und Laptops machen es möglich: Mit einem mobilen Internet-Anschluss ist PC-Arbeit heute an praktisch jedem Ort machbar. Da werden die E-Mails schon einmal auf dem Weg zur Arbeit gelesen und erste Schriftstücke verfasst. Kunden rufen an und Vorgesetzte fragen nach dem Fortgang der Arbeit. Vermutlich ebenfalls von unterwegs. 87 Prozent aller Arbeitsplätze sind aktuell an einen Computer gebunden. Das macht den Job flexibel. Arbeitsbeginn und Feierabend sind fließend. Doch die meisten Beschäftigten zeigen sich zufrieden mit der Situation.
Einmal in der Woche
Nach einer repräsentativen Umfrage der BITKOM arbeitet ein Drittel aller Beschäftigten mindestens einmal in der Woche von zu Hause aus. Bei 21 Prozent der Arbeitnehmer kommt dies sogar häufiger als einmal wöchentlich vor. Während die Mehrzahl der Befragten diese Möglichkeit zu schätzen weiß, herrscht dennoch die Überzeugung, dass sich auf diesem Weg Freizeit und Arbeit kaum trennen lassen. Sogar 47 Prozent der Befragten bedauerten, dass Heimarbeit dazu führt, den Kontakt zu den Kollegen zu verlieren und sich isoliert zu fühlen.
Erreichbarkeit rund um die Uhr
Waren es früher nur die Menschen in wenigen Tätigkeitsbereichen, die rund um die Uhr erreichbar sein mussten, trifft dies inzwischen auf 77 Prozent aller Angestellten zu. Sie gaben an, auch nach Büroschluss noch ihre E-Mails zu lesen und für ihre Kollegen zur Verfügung zu stehen. Tatsächlich erwarten das auch deren Vorgesetzte: in immerhin 71 Prozent der Fälle zumindest in Ausnahmefällen. Dabei fehlen jegliche Absprachen, wie diese permanente Bereitschaft zu entlohnen sei. Lediglich bei jeweils sechs Prozent der Befragten existiert eine individuelle Regelung im Arbeitsvertrag oder steht eine betriebliche Vereinbarung hinter der praktischen Handhabung. Mündliche Absprachen existieren immerhin in 20 Prozent der Unternehmen.
Muss der Gesetzgeber eingreifen?
Die BITKOM meint, nein. Die bestehenden Gesetze sind ausreichend, um Angestellte zu schützen. Wie aber sich wehren gegen die Forderung der ständigen Verfügbarkeit? Viele Arbeitnehmer werden dazu gern Ihre Zustimmung geben, sowohl im Hinblick auf die Annehmlichkeiten, welche die Arbeit von zu Hause mit sich bringt als auch aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Auf durchaus elegante Art und Weise lässt sich so das Arbeitszeitschutzgesetz unterlaufen. Andere Studien hingegen sprechen von wachsender Belastung der Beschäftigten auch durch die permanente Bereitschaft, für das Unternehmen verfügbar zu sein.
Zu den Studien:
BITKOM
http://www.bitkom.org/files/documents/BITKOM-Presseinfo_Arbeiten_in_der_digitalen_Welt_16_04_2013.pdf
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA)
http://www.baua.de/de/Publikationen/Fachbeitraege/Gd68.pdf?__blob=publicationFile&v=4